Zum Cello zu singen ist gar nicht so einfach, wie es vielleicht aussehen mag. Es gibt viele Instrumente, von denen wir es eher gewohnt sind: Vom Klavier, von der Gitarre oder von der Harfe. Allerdings haben alle diese Instrumente etwas gemeinsam: sie haben entweder Tasten, Bünde oder Saiten, denen genau nur ein Ton zugeordnet ist und müssen sich eigentlich "nur" auf den Rhythmus und die Griffe konzentrieren und nicht auf die Intonation. Das Cello ist aber ein
Instrument, das man vollkommen unabhängig von festen Tonhöhen intonieren kann und muss, d.h. jeder Ton wird direkt vom Ohr vorgehört und dementsprechend intoniert. Es gibts auch Gitarren ohne Bünde und Klaviere nur mit weißen Tasten - so ähnlich muss man sich das Gefühl auf einem Cello-Griffbrett vorstellen: die Orientierung ist einzig eine Frage der Übung und des Körpergedächtnisses. Die solide tonale Stütze, die bei Klavier, Gitarre und Harfe vorhanden ist, fehlt also beim gleichzeitigen Singen und Spielen mit dem Cello: das gewohnheitsmäßige Intonieren über das Gehör funktioniert nicht mehr so gut, weil diese Aufgabe nun für das Singen benötigt wird. Es braucht also einiges an Training um nicht gleichzeitig unsauber zu singen und zu spielen und vor allem, das eine vom anderen zu unterscheiden und richtig zu korrigieren - wenn man kein absolutes Gehör hat.
Unabhängig davon erfordert das Singen zu einem Instrument außerdem einen hohen Anteil an instrumentalem Können und die Fähigkeit des Multitaskings. Das Instrument muss dabei so gut beherrscht werden, dass man sich davon unabhängig auf Text, Atem und Intonation des Gesangs konzentrieren kann. Ich z.B. lerne viele meiner Songs zuerst wie einen Klavierpart: Ich habe Gesangs- und Cellostimme in einer Partitur übereinander geschrieben und lerne beide Stimmen simultan, um zu wissen, welchen Rhythmus ich während der Melodie auf dem Cello spiele und wie "das Zahnrad ineinander greift". Je besser ich das Stück kenne, desto eher kann ich den Rhythmus auf dem Cello verändern oder freier mit der Gesangs-Melodie umgehen. Und je versierter man wird, desto weniger braucht man ausgeschriebene Noten und kann frei mit Leadsheets arbeiten, d.h. sich eine Begleitung frei und aus dem Stand zur Melodie ausdenken.
Gerade weil zum Cello zu singen recht schwierig ist, gibt es weltweit so wenige singende Cellist:innen. Außerdem wurde bisher das Cello vorwiegend als Bassinstrument (Orchester) oder Melodieinstrument (Cellokonzerte) eingesetzt, aber die Möglichkeit, es wie eine Gitarre gezupft als Akkordinstrument zu nutzen, wurde erst im letzten Jahrhundert durch innovative Jazz-Cellisten ausgelotet und erweitert. Dort steckt eigentlich das größte weitgehend noch unbekannte Potential dieses vielseitigen Instrumentes - welches leider an den meisten Hochschulen im üblichen klassischen Studium komplett außen vor gelassen wird. In einem regulären Cello-Studium wird weder beigebracht, wie man improvisiert noch wie man Akkorde auf einem Cello spielen kann um damit Leadsheets (oder auch einfache Melodien wie Kinderlieder für Schüler) zu begleiten, noch die schier unendlichen Möglichkeiten, welche Spieltechniken man mit oder ohne Bogen zur Begleitung eines Songs anwenden kann. Ganz abgesehen von den Ideen, die das Cello mit seinem Korpus auch als perkussives Instrument bietet (bitte nur nach Rücksprache mit einem Geigenbauer - niemals ohne Anleitung und auf eigene Faust auf einem Cellokorpus klopfen, da Teile im Inneren wie Stimmstock und Bassbalken empfindlich auf Schläge reagieren!!).
Ich habe mich auf die Suche nach meinen singenden Kolleg:innen gemacht und bin fündig geworden! Ich habe weltweit alle auf Spotify vertretenen Musiker:innen auf einer Playlist zusammen gestellt: jede Künstler:in ist mit max. 2 Titeln vertreten. Ich habe Spotify gewählt, weil es dort einfacher ist, Playlisten zu erstellen und die Veröffentlichung eines Albums auf allen digitalen Plattformen für mich ein Qualitätsmerkmal ist, welches in dieser Art auf YouTube oder SoundCloud so nicht gegeben ist. Folgende singende Cellist:innen sind darauf zu hören und besonders spannend sind die unterschiedlichen Genres und Gestaltungsarten (alphabetische Ordnung nach dem Vor- bzw. Bandnamen):
singing cellists of the world united:
Abi Wade
Alana Henderson
Alfred James Band
Alyssa Wright
Ana Carla Maza
Apreleva
Ashia Bison Rouge
Ari & Mia
Arthur Russell
Ayanna Witter-Johnson
Ben Sollee
Ben van Winkle
Brenna Sahatjian
Cégiu
Ceitidh Mac
Citizen Jane
Corbin Keep
Daniel de Jesus
Dirty Cello
Ditta Rohmann
Dom La Nena
El Chelista
Emily Hope Price
Fatima Dunn
Gabriel Royal
Good Habits
Gremnir
Gyda Valtysdottir
Helen Gillet
Ian Cooke
Jami Sieber
Jenn Chandler
Jody Redhage
Jorane
Jordan Hamilton
Karoly Garam
Kelsey Lu
Kevin Fox
Kevin Olusola
Lakiko
Laufey
Laura Moody
Lauren Mullinax
Leyla McCalla
Luisa Babarro
MADARA
Maitane Sebastian
MARA
Marcelo Vieira
Marie Spaemann
Marta Roma
Maya Belsitzma
Monique Clare
Mia Pixley
Mike Block
Naomi Berrill
NES (Nesrine Belmokh)
Oliver the Crow
Paulin Voss
Petronella Torin
RABEA
Rasputina
Ronja Maltzahn
Rupert Gillett
Rushad Eggleston
Sarah Clanton
Sarah Joy
Shana Tucker
Takénobu
Tallie Gabriel
Tattie Jam
TELALIT
The Moon and You
Trevor Exter
Vaudrey
Well-Strung
Yaniel Matos
Yellofox
Zenith Duo
Kommentar schreiben